Spätfolgen

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Was sind mögliche Spätfolgen einer Sepsis?

Viele ehemalige Sepsis-Patienten klagen noch Jahre nach der Erkrankung über Beein­trächtigungen. Als mögliche Spät­folgen nach Sepsis sind vor allem Nerven- und Muskel­schäden, Schmerzen, kognitive Beein­trächtigungen, geringere Belast­barkeit und psychische Störungen beschrieben.

Kognitive Einschränkungen

Während einer Sepsis breiten sich Entzündungs­prozesse im ganzen Körper aus. Alle Organe können betroffen sein. Auch das Gehirn kann in Mitleiden­schaft gezogen werden. Die Dauer der Behandlung auf der Intensiv­station ist als Indikator eines besonders schweren Verlaufs ein erwiesener Risiko­faktor für das Auftreten einer Hirn­schädigung. Zu den Ursachen ist bisher noch nicht viel bekannt. Auch treten diese Lang­zeit­folgen nicht zwangs­läufig sofort in Erscheinung und werden deshalb oft nicht mehr in Zusammen­hang mit der Sepsis gebracht.

Sollten die folgenden Symptome vorliegen, könnte es im Rahmen der Sepsis zu Hirn­schäden gekommen sein:

  • Minderung der Belastbarkeit (körperlich oder geistig)
  • Konzentrations­schwäche
  • Verlangsamung des Reaktions­vermögens
  • Aufmerksamkeits­probleme
  • verminderte geistige Aufnahmefähigkeit
  • eingeschränkte Gedächtnis­leistung
  • verminderte geistige Flexibilität und Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen

Zu solchen kognitiven Beein­trächtigungen kommen häufig psychische Störungen wie Angst und Depression. Sie sind Folge der Erlebnisse während der Erkrankung sowie der Lang­zeit­auswirkungen der Sepsis auf den Alltag und auf die sozialen Beziehungen. Auch können sie ein weiteres Kenn­zeichen der Funktions­störungen des Gehirns sein.

Diese und die genannten kognitiven Ein­schränkungen können sich im Sinne eines Teufels­kreises gegenseitig verstärken.  

Kognitive Störungen können aber auch Folge einer psychischen Störung sein. Kognitive Störungen werden Sie unter Umständen ein Leben lang begleiten. Doch gibt es Wege, die Einschränkungen zu verringern, zu kompensieren und zu lernen, damit zu leben.

Haben Sie solche Beschwerden? Dann sollten Sie sich in eine neuro­logische oder neuro­psycho­logische Behandlung begeben, um sich auf kognitive Störungen unter­suchen zu lassen und weitere Behandlungs­optionen zu besprechen. Eine neuro­psycho­logische Therapie ist darauf ausgelegt, Hirn­funktions­störungen und die damit verbundenen Ein­schränkungen der geistigen Leistungs­fähigkeit zu reduzieren, die Anpassung zu fördern und Ihre Teil­habe am sozialen Leben wieder zu verbessern.

Info & Hilfe

Nähere Informationen finden Sie unter: www.gnp.de. Gehen Sie dort bitte zu → Für Patienten / Betroffene. Dort finden Sie → Ambul. neuropsych. Behandlung.

Im Rahmen der Ergo­therapie können Sie ein sogenanntes Hirn­leistungs­training in Anspruch nehmen. Konzentrations- und Gedächtnis­spiele wie Rätsel, Puzzles oder Sudoku können ebenso hilfreich sein wie diverse Programme zum selbst­ständigen Training der Hirn­leistung, die im Internet zu finden sind. Die Kranken­kassen bieten zum Teil zahl­reiche Kurse an, die besonders der Stress­bewältigung und Förderung der Ent­spannung dienen.

Das vielleicht Wichtigste ist: Bleiben Sie geistig, körper­lich und sozial, so gut es geht, aktiv, selbst wenn Ihnen nach Rück­zug zumute ist. Aktivität im All­tag ist das wichtigste Training für Ihr Gehirn.

Möchten Sie gerne in Kontakt mit ehemaligen Sepsis-Patienten treten, die ebenfalls von neuro­kognitiven Ein­schränkungen betroffen sind? Dann wenden Sie sich gerne an Herrn Köhler oder an die Geschäfts­stelle der DSH.

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Psychische Auswirkungen

Etwa 55 % der ehemaligen Sepsis-Patienten entwickeln im ersten Jahr nach Ent­lassung aus dem Kranken­haus Symptome einer erhöhten psychischen Belastung. Ebenso leiden viele Ange­hörige, die möglicher­weise mit­erleben mussten, wie eine ihnen nahe­stehende Person einer lebens­bedroh­lichen Situation ausgesetzt war, unter den psychischen Aus­wirkungen. Besonders Depressionen, Angst­störungen und Post­traumatische Belastungs­störungen (PTBS) sind hier zu nennen. In einigen Fällen treten die Symptome erst im Lang­zeit­verlauf auf – also Monate, teils Jahre später.

Quellen:

Hatch R, Young D, Barber V, Griffiths J, Harrison DA, Watkinson P (2018). Anxiety, depression and post traumatic stress disorder after critical illness: a UK-wide prospective cohort study. Critical Care 22 (1), 310-22

Die PTBS ist eine psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis, wie es eine lebens­bedrohliche Erkrankung sicher­lich darstellt. Jeder Mensch reagiert ganz individuell auf Belastungs­erfahrungen. Schlaf­störungen, Alp­träume, Stimmungs­tiefs, Reiz­barkeit, Gleich­gültig­keit oder ausgeprägte Ängste können die Folge sein. Oft­mals stößt die Veränderung in der Persönlich­keit auf Unverständnis im sozialen Umfeld, was wiederum Frustration bei den Betroffenen auslöst. Auch die Beziehung zum Partner kann beeinträchtigt werden.

Studien zeigen außerdem, dass Menschen, die nach einer Sepsis verstärkt an Symptomen einer PTBS litten, auch stärkere körper­liche Beschwerden (Erschöpfung, Glieder­schmerzen, Magen- und Herz­beschwerden) aufwiesen als Patienten, die keine erhöhten PTBS-Symptom­werte hatten. Da die Symptomatik un­behandelt einen chronischen Verlauf nehmen kann, sollte die PTBS durch eine trauma­fokussierte Psycho­therapie therapiert werden, falls erforder­lich mit medikamentöser Unter­stützung durch Psycho­pharmaka. Achten Sie unbedingt darauf, dass der behandelnde Psycho­therapeut über eine entsprechende Qualifikation und Erfahrung in Trauma­therapie verfügt.

Quellen:

Jaenichen D, Brunkhorst FM, Strauß B, Rosendahl J (2012). Körperliche und psychische Langzeitfolgen nach intensiv-medizinischer Behandlung einer schweren Sepsis bei Patienten und Angehörigen. Psychother Psych Med 62, 335-343

Psychische Störungen können auch ein Hinweis auf eine Hirn­funktions­störung sein. Das sollte von einem Neuro­logen abgeklärt werden. Sowohl Patienten als auch deren Angehörige wünschen sich oftmals Hilfe, um besser mit psychischen Ein­schränkungen umgehen zu können. Sie können folgende Personen konsultieren:

  • Der Hausarzt sollte immer der erste Ansprech­partner sein. Er kann abklären, ob organische Ursachen für die Symptome vorliegen und an weiter­behandelnde Ärzte überweisen.
  • Ein Psychiater hat nach dem Studium der Medizin eine Facharzt­ausbildung absolviert, bei der er Kenntnisse über seelische Erkrankungen erworben hat. Psychiatern ist es erlaubt, Medika­mente zu verschreiben.
  • Psycho­logische Psycho­therapeuten schließen nach dem Studium der Psychologie zusätzlich eine staatlich geprüfte Ausbildung ab. Sie konzen­trieren sich auf die psychischen Ursachen der Symptome. Ihre Behandlung beruht auf wissen­schaftlich abgesicherten Verfahren; Medika­mente setzen sie nicht ein. Die Therapie soll dem Patienten dabei helfen, sich mit den Ursachen seiner psychischen Erkrankung auseinander­zusetzen und neue Wege des Umgangs damit zu erlernen. An Psycho­therapeuten kann man sich auch ohne Über­weisung vom Haus­arzt wenden.

Auf den Internet­seiten der jeweiligen Psycho­therapeuten­kammern finden Sie Psycho­therapeuten in Ihrer Gegend. Kranken­kassen können ebenfalls Aus­kunft über Psychiater und Psycho­therapeuten geben. Es ist sinnvoll, bei mehreren Psycho­therapeuten nach­zufragen, da es häufig Warte­zeiten gibt. Im ersten Gespräch sollten Sie immer klären, ob die Kosten­übernahme durch die Kranken­kasse möglich ist.

Zusätzlich bieten Psycho­therapeuten in einer psycho­therapeutischen Sprech­stunde die Möglich­keit, sich vorzustellen und abzuklären, ob eine Behandlung sinnvoll wäre. Eine solche Sprech­stunde findet in der Regel nach Termin­vergabe statt. Sie soll einen direkten Zugang zu Psycho­therapeuten gewähr­leisten und die langen Warte­zeiten über­brücken. Außerdem sollen Termin­service­stellen der Kassen­ärztlichen Vereini­gungen, die Termine für Sprech­stunden vermitteln, die Suche nach Therapeuten vereinfachen.

Info & Hilfe

Terminservicestelle

Neben den Praxen gibt es psycho­therapeutische Ambulanzen. Sie sind meist an Universitäten, Ausbildungs­institute oder Kranken­häuser angegliedert.

Wenn der Schritt zur Psycho­therapie noch schwer­fällt, sind psycho­soziale Beratungs­stellen alternative Anlauf­punkte. Häufig gibt es lokale Angebote, die in der Regel über ihre Website, in der Tages­zeitung oder im Telefon­buch (unter „Beratung“) gefunden werden können.

Manchmal ist es sinn­voll, sich kurz­fristig Unter­stützung zu suchen, etwa wenn eine lange Warte­zeit auf einen Termin unvermeid­lich ist. Eine Möglich­keit sind Selbst­hilfe­gruppen. Angebote können online gefunden werden, zum Beispiel über die Nationale Kontakt‐ und Informations­stelle zur Anregung und Unter­stützung von Selbst­hilfe­gruppen.

Nicht nur die Sepsis-Patienten selbst, sondern auch ihre Ange­hörigen können so in Kontakt mit Menschen treten, die Ähnliches erlebt haben. Gegen­seitige Unter­stützung steht im Mittel­punkt.

Noch kurz­fristiger ist ein Anruf bei der Telefon­seelsorge. Eine Beratung dort kann aber keine Therapie ersetzen. Unter den Nummern 0800 1110111 und 0800 1110222 kann kosten­frei und rund um die Uhr mit ehren­amtlichen Seel­sorgern gesprochen werden. Die Beratung findet anonym statt und steht allen Menschen offen.

Telefonseelsorge

0800 1110111 oder 0800 1110222 (kostenfrei und rund um die Uhr)
Unter: www.telefonseelsorge.de wird zudem eine Chat- sowie Mail-Beratung angeboten.

Nerven- und Muskelschäden

Die Sepsis kann Nerven- und Muskel­schäden verursachen, die sich als Lähmungen, Gefühls­störungen, Muskel­schwäche, Koordinations­probleme, Schluck­beschwerden und Schmerzen zeigen. Man spricht hier von einer Critical Illness Poly­neuropathie (CIP) bzw. Critical Illness Myopathie (CIM).

Die Ursachen sind viel­fältig, aber noch nicht voll­ständig geklärt. Möglicher­weise rufen z. B. maschinelle Beatmung, Bewegungs­mangel, Medika­mente und künstliche Ernährung die Schäden hervor. Leichte Formen der Erkrankung können sich voll­ständig zurückbilden, während bei schwereren Verläufen oftmals nur eine teil­weise Verbesserung zu erwarten ist.

Sollten Sie Symptome und Beschwerden haben, die auf CIP oder CIM hinweisen, ist es ratsam, einen Neuro­logen aufzusuchen. Er wird mit Ihnen die weitere Diagnostik und Therapie besprechen, wie Ergo- und Physio­therapien oder eine Schmerz­behandlung.

Amputationen

Im Rahmen einer Sepsis kommt es zu Durchblutungsstörungen kleinster Blutgefäße. Im Extremfall ist es möglich, dass beispielsweise ein Fingerendglied abstirbt. Eine Amputation der betroffenen Extremitäten kann erforderlich werden. Um solch ein traumatisches Ereignis zu verarbeiten und mit den daraus sich ergebenden Einschränkungen umzugehen, ist eine spezielle physische und psychische Behandlung notwendig.

Besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt das weitere Vorgehen sowie auf Ihre Einschränkungen abgestimmte Therapien und Rehabilitationsmöglichkeiten. Wenn Sie gerne in Kontakt mit ehemaligen Sepsis-Patienten treten möchten, die ebenfalls eine Amputation erfahren mussten, dann wenden Sie sich gerne an Herrn Trumann oder an die Geschäftsstelle der DSH.

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Gewichtsverlust

Viele Patienten verlieren während des Kranken­haus­aufenthaltes an Gewicht – vor allem, wenn sie länger intensiv­medizinisch betreut werden. Dies setzt sich oft in der Anfangs­zeit nach der Entlassung aus dem Kranken­haus fort.

Besprechen Sie mit Ihrem Haus­arzt einen möglichen Ernährungs­plan. Neben der normalen Nahrungs­aufnahme wird er vielleicht die Gabe von hoch­kalorischer Trink­nahrung in Betracht ziehen. Bei weiterem Gewichts­verlust müssen andere auslösende Faktoren geprüft werden, z. B. Zahn­beschwerden oder Schluck­störungen.

Schmerzen

Chronische Schmerzen gehören zu den Lang­zeit­folgen, unter denen einige ehemalige Sepsis-Patienten leiden. An erster Stelle sollte ärztlich abgeklärt werden, ob andere Erkrankungen für die Beschwerden ursächlich sind. Viele große Kranken­häuser in Deutsch­land verfügen über eine Abteilung für Schmerz­therapie, die sich auf die Behandlung von chronischen Schmerz­patienten spezialisiert hat. Neben der Gabe von Schmerz­mitteln kann die Therapie physio­therapeutische Maßnahmen, das Erlernen von Entspannungs­techniken sowie die psycho­soziale Betreuung umfassen.